Mental Load zu reduzieren bedeutet nicht nur, Aufgaben anders zu verteilen, sondern auch die Denk- und Organisationsarbeit gerechter aufzuteilen. Dabei sollte sich die Verteilung der Aufgaben nach einem einfachen Prinzip richten: Beide Partner sollten am Ende gleich viel Freizeit haben – unabhängig vom Einkommen.
💡 Wie du Einkommen in der Partnerschaft fair verteilen kannst, liest du hier.

1. Aufgabenverteilung nach Zeit und Präferenzen
- Die Arbeitsaufteilung sollte sich nicht daran orientieren, wer mehr verdient, sondern daran, dass beide gleich viel freie Zeit zur Verfügung haben.
- Alle Aufgaben, die im gemeinsamen Haushalt anfallen, können mithilfe der Equal Care Liste der Initiative Equal Care Day (hier herunterladen) sichtbar gemacht werden.
- Nach gemeinsamer Reflexion und Verhandlung über eine faire zeitliche Aufteilung, kann in einem zweiten Schritt basierend auf persönlichen Vorlieben verteilt werden.
- Prinzipiell sollten Aufgaben end-to-end übernommen werden, also von Anfang bis Ende. Beispiel: Wer die Wäsche übernimmt, kümmert sich ums Waschen, Trocknen, Zusammenlegen und Einräumen – nicht nur um einzelne Schritte.
2. Von Anfang an klare Strukturen schaffen
Besonders wenn ihr beide gleich viel arbeitet, helfen diese einfachen Maßnahmen von Beginn des Zusammenlebens an:
✅ Gemeinsame E-Mail-Adresse für den Haushalt: Alle Kommunikation zu Haushalts- und Familienorganisation läuft über eine gemeinsame Adresse, auf die beide Zugriff haben und die beide Partner aktiv administrieren.
✅ Gemeinsamer Kalender: Entweder ein separater Kalender für alle gemeinsamen Termine oder wie im Büro schickt jeder Partner wichtige Termine dem jeweils anderen in den persönlichen Kalender. Dabei gilt: Termine werden direkt vom Organisator eintragen oder an den Partnerkalender als fertige Einladung geschickt – inklusive aller relevanten Infos. So, wie man es in einem professionellen Arbeitskontext auch machen würde. Termine müssen von beiden bestätigt werden.
✅ WhatsApp-Gruppe oder ähnliche App für To-dos & Einkäufe: Hier könnt ihr wichtige Aufgaben sammeln, damit beide den Überblick behalten. Der Vorteil einer separaten Gruppe ist auch, dass hier ein Format als simple Liste ausreicht und vom Chat mit dem Partner separat gehalten wird. Dadurch muss eine Aufgabe nicht «schön verpackt» werden oder geht im weiteren Gesprächsverlauf wieder unter.
✅ Feste Abstimmungen oder Zuständigkeiten: Entweder regelmäßige Absprachen (z. B. jeden Sonntag 15 Minuten Besprechung). Oder feste Zeiten für die aktuell nötigen To-Dos im Haushalt (z. B. jeden zweiten Samstagvormittag für Hausarbeiten).
3. Gemeinsame Standards definieren
Um Streit über unterschiedliche Vorstellungen zu vermeiden:
1️⃣ Beide Partner machen alle Aufgaben abwechselnd für einige Wochen oder Monate.
2️⃣ Dadurch wird ein gemeinsamer Standard festgelegt, dem beide zustimmen und der idealerweise fotografisch oder schriftlich in Form einer Checkliste festgehalten wird.
3️⃣ Danach erfolgt die endgültige Aufgabenverteilung basierend auf benötigter Zeit und Präferenzen.
💡 Vorteil: Falls jemand ausfällt (z. B. durch Krankheit), kann der andere einspringen.
4. Wer kümmert sich um was?
Bestimmte Bereiche sollten wenn möglichst in der eigenen Hand des jeweiligen Partners bleiben, ausser es gibt gute Gründe die für eine alternative Aufteilung sprechen. Beispiele hierfür sind:
- Jeder ist für seine Herkunftsfamilie zuständig: Geburtstage, Besuche, Terminplanung, Geschenke und Kommunikation mit Eltern & Geschwistern sind keine gemeinsame Verantwortung.
- Jeder sollte seine eigene Wäsche waschen, organisieren und auf dem neuesten Stand halten (z.B. saisonale Updates).
- Jeder sollte sich um seine private Administration, i.e. Rechnungen und Finanzen ausserhalb des Familienbudgets, Behördengänge, Ausweise usw. selbst kümmern.
- Jeder sollte sich um seine eigene Gesundheitsvorsorge, Arzttermine und ähnliches selbst kümmern (solange keine ernsthafte Erkrankung vorliegt).
- Kinder von Anfang an einbinden: Das stärkt ihr Selbstvertrauen und fördert Selbstständigkeit. Wichtig: Gemeinsam machen, nicht nur die Aufgabe zuteilen. Aufgaben sollten altersgerecht sein, in jungen Jahren geht Spass geht über Perfektion. Wichtig ist auch, dass ein Elternteil nicht seine Aufgaben an das Kind auslagert und so die Verantwortung abgibt.
5. Eigenständiges Wahrnehmen & Handeln („Notice & Do“)
- Damit deine Mental Load wirklich nachhaltig abnimmt, muss dein Partner lernen, Aufgaben selbstständig zu erkennen und zu erledigen – nicht erst nach Aufforderung. Das geht nur durch Übung:
- Immer wieder darauf hinweisen, bis es zur Routine wird.
- Beispiel: Die Zahnpasta ist leer → selbst bemerken, neue Tube aus dem Vorrat holen, leere Tube entsorgen, Zahnpasta auf die Einkaufsliste setzen oder direkt selbst besorgen.
- Auch Kinder können das früh lernen! Frage sie regelmäßig: „Was siehst du? Ist es hier ordentlich? Was muss passieren, damit es hier ordentlich ist?“ So trainieren sie, ihre Umgebung bewusst wahrzunehmen und selbstständig eine Lösung zu finden: «Oh, jetzt hast du die letzte Seife verbraucht. Was machen wir jetzt?»
6. Aufräumen vs. Putzen – Wichtige Unterscheidung
Viele setzen „aufräumen“ mit „putzen“ gleich – doch das sind zwei verschiedene Dinge!
- Aufräumen: Dinge an ihren Platz zurückbringen, Oberflächen freiräumen.
- Putzen: Reinigung mit Wasser, Putzmitteln oder Staubsauger.
Aufräumen kommt vor dem Putzen. Wer aufräumt, kann aber eine Checkliste abarbeiten, damit nach dem Aufräumen das Putzen effektiver geht. Beispiel: Beim aufräumen der Küche die Maschinen von der Arbeitsfläche räumen, sodass beim Putzen direkt alles frei ist.
7. Achtung: Verantwortung nicht auf Kinder abwälzen!
- Kinder sollen im Haushalt mithelfen, aber dein Partner darf nicht seine Verantwortung auf die Kinder übertragen. Sie sollen altersentsprechend lernen, wie man einen Haushalt selbstständig führt, aber nicht als „Ersatz-Erwachsene“ fungieren. Die Kinder sollten ihre eigenen Aufgabenbereiche erhalten, die sich nicht mit denen eines Erwachsenen im Haushalts überschneiden.
🚫 Beispiel für falsche Aufgabenverlagerung:
- Das ältere Kind muss ständig auf das jüngere aufpassen, weil ein Elternteil sich nicht zuständig fühlt.
- Ein Kind soll die Bettwäsche wechseln, obwohl diese Aufgabe eigentlich dem Partner zugeteilt ist.
- Ein Klassiker: Die Tochter soll das Geburtstagsgeschenk für die Mutter besorgen und/ oder einpacken.
- ✅ Besser: Beide Partner leben vor, wie sie ihren fairen Beitrag zur Care Arbeit selbstständig leisten. Kinder lernen vor allem durch Vorbilder.
8. Perfektionismus ablegen und delegieren
Akzeptiere, dass Aufgaben anders erledigt werden, als du es tun würdest.
- Wichtiger als Perfektion ist Entlastung. Eine Spülmaschine muss nicht perfekt eingeräumt sein – Hauptsache, sie läuft. Sie muss allerdings dem gemeinsam erarbeiteten Standard entsprechen (siehe Punkt 3).
- Klare Kommunikation hilft: „Danke, dass du das übernommen hast! Beim nächsten Mal könntest du bitte noch den Geschirrspüler am Ende anschalten.» anstatt „Aber das hätte man auch anders machen können…“
9. Technische Hilfsmittel nutzen
Nutze digitale Tools, um Abläufe zu erleichtern:
- Einkaufslisten-Apps: z. B. Bring! oder AnyList synchronisieren sich zwischen Partner:innen.
- Digitale Kalender: Erinnerungen für Geburtstage oder Arzttermine können automatisch eingestellt werden.
- Smarte Haushaltsgeräte: Staubsaugroboter oder smarte Waschmaschinen helfen, Arbeit zu reduzieren.
💡 Denkt aber immer daran, dass Hilfsmittel auch wieder organisiert, geplant und gewartet werden müssen, also auch teilweise zusätzlichen Mental Load kreieren.
Beispiele:
- Die Putzfirma schickt Rechnungen, die bezahlt und abgelegt werden müssen. Termin- oder Ferienverschiebungen müssen eingeplant werden und es geht auch mal etwas zu Bruch.
- Saugroboter sind praktisch, brauchen jedoch regelmässige Wartung. Nach dem Wischen muss das Schmutzwasser entleert werden. Alle vier Wochen müssen sie gereinigt werden. Zur Inbetriebnahme müssen sie zusammengebaut, die Funktionsweise erlernt und programmiert werden, sodass die Reinigungsintervalle zum Familienalltag passen.
💡 Wir sind daher im allgemeinen ein Fan der minimalistischen Methode: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Beispiel: Lieber Gmail, GoogleKalender und Whatsapp-Gruppe also Tools, die wir bereits täglich nutzen, als zusätzliche spezifische Apps.
10. Regelmäßige Reflexion und Anpassung
Mental Load ist dynamisch – was heute funktioniert, kann in sechs Monaten nicht mehr passen. Daher:
- Regelmäßige Gespräche einplanen: Einmal im Monat reflektieren, ob die Aufgabenteilung noch gerecht ist.
- Anpassungen vornehmen: Falls eine Person überlastet ist, gemeinsam überlegen, wie Aufgaben umverteilt oder vereinfacht werden können.
- Feedback geben und nehmen: Eine offene Kommunikation hilft, dauerhaft eine faire Balance zu finden.
Besonders, wenn du an einer Stelle startest, an der du die Hauptlast der Mental Load trägst und dein Partner sie nicht sieht, müssen zunächst viele unangenehme Gespräche stattfinden. Das ist mühsam und fühlt sich ungerecht an, da du ja sowieso schon das Gros der Arbeit verrichtest und nun auch noch die Umverteilungs- und Überzeugungsarbeit auf deinen Schultern liegt.
Daher ein wichtiger Rat: Es braucht ein gewisses Mass an Willen von deinem Partner: Einzusehen, dass die aktuelle Situation nicht nachhaltig ist, dass sie dir gegenüber unfair ist und den Willen, dir als Partnerin eine faire Lebensqualität, die gleichwertig ist zu seiner, zu ermöglichen! Wenn diese Grundlage trotz mehrerer intensiver Gespräche nicht vorhanden ist, musst du dir überlegen, ob der Status Quo für deine Zukunft in Ordnung ist. Denn ändern wird sich wahrscheinlich nichts.
Fazit
Durch eine klare Aufgabenverteilung, gemeinsame Standards und die Förderung eigenständigen Handelns kannst du langfristig mehr Entlastung im Alltag schaffen. Wenn ihr als Paar diese Sprung schafft, werdet ihr bemerken, wie sich die Beziehungsqualität und der Alltag für beide (!) verbessert.